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por Berlino kaj Brandenburgio

Archiv für die Kategorie “Zamenhof”

Esperanto-Tag 26. Juli

Der 26. Juli 1887 gilt als der Geburtstag der internationalen Sprache Esperanto. Diese Datum steht in der ersten, der russischen Version einer Broschüre, in der eine „Internationale Sprache“ vorgeschlagen wird.

Der Autor, der sich hinter dem Pseudonym „Dr. Esperanto“ verborgen hat, schildert hier, wie es dazu kam.


Aus dem Comic von John Hornby, Bilder Colin Andrew, London 1959

Im Sommer 1887 konnte ich mir so etwas wie meinen Le­bens­traum erfüllen. In der Druckerei meines alten Nach­barn Chaim Kelter in der No­wo­lipie Strasse meiner Hei­mat­stadt War­schau habe ich ei­ne Broschüre produ­zieren las­sen. Er hat seine Typo­lithographie in der Num­mer 11 und ich habe als Gym­nasiast von 1873 bis 1879 bei mei­ner Familie in der Num­mer 29 gewohnt.

Seit Jahren hatte ich an meinem Projekt einer „In­ter­nationalen Sprache” ge­feilt. Ei­gent­lich war es schon ziem­lich fertig nachdem ich im Sommer 1885 einige Tage bei meiner kleinen Schwester Fania Piko­wer in Veisiejai1 verbracht habe. Aber ich fand niemand, der es drucken wollte und selbst hatte ich kein Geld dafür.

Meine Situation war damas mehr als prekär. Bei meiner Fa­milie brauchte ich über­haupt nicht zu fragen. Mein Vater hält überhaupt nichts von meinen Spin­nereien. Wäh­rend meiner Schulzeit hat er hat meine ersten Ent­würfe konfisziert. Ich sollte etwas Ordentliches lernen und so ha­be ich brav Medizin stu­diert. Erst zwei Jahre in Mos­kau und dann von 1881 in War­schau, wo ich dann im Ja­nuar 1885 mein Diplom be­kam.

Er war mir schnell klar, dass ich nicht zum Allge­mein­medi­ziner geboren bin. Wenn ich den Patienten nicht helfen konnte, fühlte ich mich immer total schul­dig und ganz schlimm war es, wenn mir einer weggestorben ist.

Also hängte ich im Sommer 1886 eine Spezialisierung zum Augen­arzt in Wien an.

Im Frühjahr 1887 habe ich mich mit Klara Silbernik ver­lobt. Bei ihr und ihrer Familie gab es weit mehr Ver­ständnis für mein Projekt.

Ihr Vater war sogar bereit mir Geld aus der Mitgift vor­zuschiessen, damit ich mein Werk drucken lassen konnte.

Der russische Text ergab einen im Umfang von 42 Seiten und der musste erst durch die Zensur. Wir lebten schliesslich im Russland des Zaren.

Am 2. Juni war die Geneh­migung da und der Druck der ersten Auflage von 3000 Exem­plaren konnte be­ginnen.

Chaim hat etwas gestutzt als er mein Manu­skript ge­sehen hat. Rus­sisch, pol­nisch, deutsch ist für seine Setzer kein Problem. Auch he­bräisch gehört bei ihm zum Tages­ge­schäft. Aber ich woll­te so merk­würdige Buch­staben ver­wenden, die er erst ein­mal gießen lassen mußte.

SupersignojMein Prinzip:
Ein Laut = ein Buchstabe

Ich habe bei der Aussprache das Prinzip verfolgt, dass jedem Buchstaben genau ein be­stimmter Laut entspricht. Und zwar immer. Für die vertrauten Laute der russi­schen Sprache, die es im la­tei­nischen Alfabet so nicht gibt, mußte ich mir etwas einfallen lassen.

Beispielsweise für das „Ч“, polnisch „cz” oder deutsch „tsch” habe ich eben ein besonderes Zeichen einge­führt. Ich habe mich dann in allen solchen Fällen für die Variante mit einem kleinen Dach entschieden.

Seit mehr als 10 Jahren gibt es die Schreibmaschinen von Remington und die Drucker­eien sehen es gerne, wenn die Manuskripte damit und nicht in einer unlesbaren Hand­schrift übergeben werden. Die Akzente, etwa im Franzö­sischen, werden dabei mit Hilfe einer Tottaste ergänzt.

Zweimal Akzent und schon hat man das Dach! Wo ist das Problem?

Immer noch Hoffnung auf eine bürgerliche Karriere

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Titelblatt der russischen Ausgabe

Nun bin ich fast dreissig Jahre alt, Medizinerbald auch Ehemann – und viel­leicht sogar Vater. Also auf dem besten Weg zu der bür­gerlichen Existenz, die mei­nem Vater vorgeschwebt hat.

Deshalb lasse ich es auch vorsichtshalber unter einem Pseudonym veröffentlichen. Ich nenne mich „Dr. Espe­ranto” wobei „Espe­ranto” in mei­ner neuen Sprache un­ge­fähr „Einer der hofft” heißt. Also hoffen wird das Beste.

Klare Grammatik

Ich habe die Grammatik maxi­mal eingedampft und be­haupte, daß man meine Sprache „vollkommen in eini­gen Tagen” lernen kann. Nun, wir werden ja sehen.

Ich will damit ganz sicher nicht das dicke Geld machen. Es geht mir um die Sache. Deshalb habe ich in alle Ausgaben ei­nen Hinweis drucken lassen, in dem ich auf alle Rechte an die­ser Sprache verzichte. Spä­ter wird man sagen, ich hätte damit das Prinzip der Open Source, der offenen Software2 vor­weg­genommen.

Lizenz Zamenhof (Ausschnitt)

Esperanto ist Open Source

In meiner Broschüre er­läute­re ich ausführlich, was ich mit meiner „Inter­na­tionalen Sprache” be­zwecke. Es ist mir klar, ich bin nicht der Erste, der so eine Idee hatte, und wahr­schein­lich ist die Umsetzung auch nicht in allen Punkten perfekt. Aber ich will, daß die Leute, wenn sie erst einmal das Prinzip verstanden haben, sofort etwas damit anfangen kön­nen. Es ist doch das Prinzip der „Open Source”, daß die Community der User die Weiterentwicklung in die Hand nimmt. So ist es ja dann auch mehr oder weniger gelaufen.

Die russische Ausgabe er­schien mit dem Datum von 26. Juli 1887. dieses Datum wur­de später zum „Es­pe­ranto-Ge­burtstag“ ver­klärt.

Klara, die treue Seele, meine Verlobte und ab dem 9. Au­gust 1887 meine Gat­tin, hilft mir dabei die Bro­schüren zu verschicken.

Wir haben sofort damit angefangen, das Werk an die Brennpunkte der intellek­tuel­len Welt, zuerst natürlich auf Russisch und in Rußland, zu verschicken. Danach kamen Aus­gaben auf Französisch und Deutsch.

Es ist zwar unübersehbar ein Preis aufgedruckt. Von den Russen wurden 15 Ko­peken verlangt, in Deutsch­land waren es 40 Pfennig. Keinen Schimmer ob das je­mals irgendjemand bezahlt hat.

Feedback-Formular

In den Ausgaben meiner Broschüre, die nach der Russischen Version auf Fran­zösisch, Deutsch, Eng­lisch erschienen, haben wir dann ein Feedback-Formular einge­baut. Der Text war so an­geordnet, daß man die Seite entnehmen und in vier Teile zerschneiden konnte.

promesoDE

Das feierliche Versprechen die von Dr. Esperanto vorgeschlagene „ling­vo internacia“ des zu lernen

Es entstanden vier Zettel, auf deren Vorderseite man eine Erklärung unterscheiben konnte, dass man die Sprache lernen würde, wenn 10 Millionen Leute das unter­schrieben hätten. Auf der Rückseite konnte man seine Ad­resse angeben.

Die Adressen sollten dann in einem Adressbuch ver­öffent­licht werden. Bei 100 Ad­ressen pro Seite wären das 100.000 Seiten geworden. Al­so 100 Bände zu je 1000 Sei­ten. Eine Wahnsinns-Idee, die auch in 100 Jahren nicht um­gesetzt wurde.

Was für ein Glück, daß viele sich nicht die Mühe gemacht haben die Erklärung abzuschicken, sondern gleich angefangen haben zu lernen.

Der Trick war ja, daß der Text auf Esperanto ab­ge­druckt war. Um überhaupt zu ver­stehen, was man da ei­gent­lich unterschreibt, muss­te man wenigstens die Grund­züge der neuen Sprache verstanden haben. Aber wozu sollte man dann noch per Unterschrift seine Absicht erklären?

Wie erreicht man den Dr. Esperanto

Die Frage, die sich sofort aufgedrängt hat, war ja, an wen man seine Unterschrift schicken sollte. Die einzige erkennbare Adresse war die der Druckerei von Chaim Kelter.

Die einzige erkennbare Adresse

Oder schickt man es zurück an Dr. Esperanto in War­schau, Rußland, und hofft, dass die Post den Empfänger schon ausfindig machen wird. Man kann davon ausgehen, dass er ein Postfach im Haupt­postamt angemietet hat. Auch der Vermerk „Post­lagernd” war international üb­lich.

Es gab eine Menge von Reaktionen, auf die ich dann im „Dua Libro” eingegangen bin. Aber das ist eine andere Geschichte.


Wie würde es aussehen, wenn Ludwig Zamenhof in moderner Sprache über sein Leben berichten würde.

Das war die Idee für einen Blog, der einige Jahre lang als Zamenhof.blog.de erscheinen konnte und eine Handvoll begeisterter Leser hatte. Nachdem blog.de die kostenlosen Blogs aufgab, konnten die Daten gesichert und in eine WordPress-Seite übertragen werden. Dabei ging aber leider einiges vom Bildmaterial und von den Links verloren.

An biografische Texten über Zamenhof herrscht kein Mangel. Die ersten Biografien wurden noch zu Lebzeiten in Esperanto-Zeitschriften veröffentlich. Viele Autoren hoben seine Bescheidenheit hervor und dass er ungern im Rampenlicht stehen wollte.

Auch seine Freundlichkeit und Geduld wurden hervorgehoben. Und seine Frau Klara muss eine Seele von Mensch gewesen sein, die Besucher des Heims in Warschau ebenso entzückt hat, wie diejenigen, die sei bei den Esperanto-Weltkongressen kennengelernt haben. Oft reiste die ganze Familie an und auch die Kinder (der erste Sohn Adam wurde im Juni 1888 geboren) waren dabei und sprachen Esperanto.

Eine ungeschönte Darstellung seines Vaters stammt von Adam Zamenhof. Er liess keinen Zweifel daran, dass Zamenhof massiv nikotin­abhängig war und dass er ohne diese Droge nicht an seinen Übersetzung arbeiten konnte. Wohlgesonnene Ärzte – und er war ja selber Arzt wie sein Sohn Adam – empfahlen dringend mit dem Rauchen aufzuhören. Er hat es versucht, aber die Entzugserscheinungen waren unerträglich und vor allem konnte er nicht mehr schriftstellerisch und als Übersetzer tätig sein.

Viele Biografen huldigen die Genianalität des „Meisters“ (eine Bezeich­nung, die er ausdrücklich ablehnte) und halten sich mit Kritik in jeder Hinsicht zurück.

1Heute in Litauen. In frühen Esperanto-Dokumenten „Vejseje“ geschrieben. 1988 wurde im Gutspark ein Denkmal für Zamenhof eingeweiht.

Wikipedia.DE | Wikipedia.EO | Das Denkmal |

.2Das Li­nux-­Ma­gazin von 2006 nennt es eine „Sprache unter freier Lizenz”

Zamenhofaj bildstrioj

La festa numero de la revuo Kial ne de la Junularo Esperantista Brita (JEB) prezentis bildstrion kun Zamenhof kiel superheroo.

Titolo „superzam“ kaj la pagxoj estas rekte atingeblaj  – 24, 34, 42, 50, 60, 68, 76, 86

 

Nach dem großen Krieg

Nun hat Hector Hodler also in der Aprilausgabe der Zeitschrift „Esperanto“ auf Seite 42 kommentarlos meinen Text mit dem Titel „Post la granda milito“ abgedruckt. Es hat einige Zeit gebraucht, bis ich ein Exemplar nach Warschau geliefert bekommen habe. Schließlich herrscht seit August 1914 Krieg in Europa. Immerhin funktioniert der Postverkehr mit der neutralen Schweiz, aber Post nach Deutschland hat keine Chance.
Man hat mir berichtet, daß „The British Esperantist“ den Text in der Märzausgabe nicht nur auf Esperanto abgedruckt, sondern auch auf Englisch übersetzt hat.
Im Grunde genommen habe ich ja nichts wirklich Neues gesagt. Es knüpft an die Gedanken an, die ich als „Homaranismo“ formuliert habe. Nur waren diese Gedanken formuliert worden, als noch kein Krieg war und viele, trotz der Aufrüstung in allen Ländern, davon überzeugt waren, daß zivilisierte Menschen nicht mehr zum Mittel des Krieges greifen würden.
Vereinigte Staaten von Europa

Irrfahrt 1914

Oh Mann, das war eine Odysee bis wir wieder in unserem Heim in Warschau angekommen sind. Noch vor kurzem hat alles prächtig ausgesehen. Wir wollten in Paris beim X. Esperanto-Weltkongress ein paar schöne Tage erleben und alte Freunde treffen. Werbung ParisAber dann kam alles ganz anders.

Wir waren am 30. Juli 1914 immerhin schon bis Köln gekommen. In den Zeitungen wurde schon viel über einen drohenden Krieg spekuliert, aber noch war alles ruhig. Aber in Köln empfahl man uns, doch lieber nach Rußland zurückzukehren, solange es noch ging. Rußland hatte an diesem Tag die Generalmobilmachung verkündet.

Wir folgten dem Rat und versuchten über Berlin an die deutsch-russische Grenze zu kommen. Doch wir kamen zu spät. Deutschland hatte am 30. Juni Rußland ein Ultimatum gestellt, die Generalmobilmachung einzustellen und als darauf keine Reaktion kam selbst am 1. August die „Allgemeine Mobilmachung“ verkündet.

Nun saßen wir in Berlin fest. Unser Freund Ellersiek war eine große Hilfe. Er organisierte für uns Fahrkarten in das neutrale Dänemark. In der Eile blieben unsere Koffer im Bahnhof Friedrichstraße in der Gepäckaufbewahrung zurück.

Das Gepäck wurde natürlich durchsucht und man fand eine Menge Esperanto-Literatur. Die Gepäckaufbewahrung informierte daraufhin Ellersiek und bot an, daß einem Angehörigen eines neutralen Landes das Gepäck gegen Vorlage des Gepäckscheins ausgehändigt werden könne.

In Kopenhagen konnten wir wieder auf die Hilfe unserer Esperanto-Freunde zählen und nach einem unfreiwilligen Umweg über Schweden und Finnland schließlich St. Petersburg erreichen. Ganze zwei Wochen haben wir gebraucht um wieder nach Hause zu kommen. Ich habe Ellersiek sofort Bescheid gesagt und er hat das im Germana Esperantisto vom August/Oktober zur Beruhigung der deutschen Esperanto-Freunde abgedruckt.

Was für ein Jammer, dieser Krieg!

Eigentlich wollte ich ja in Paris mein Konzept vorstellen, wie man meiner Meinung nach den Haß überwinden kann, der zwischen Angehörigen verschiedener Religionen ebenso ausgeprägt ist, wie zwischen Angehörigen verschiedener Sprachgruppen Ich hatte es Homaranismo genannt. Schon 1913 hatte ich es (natürlich auf Esperanto) als „Deklaracio pri homaranismo“ veröffentlicht und ausdrücklich erklärt, daß meine eigenen Überlegungen darstellt und in keinster Weise verpflichten für alle sein kann, die sich mit Esperanto beschäftigen.

Ich hatte schon vor vielen Jahren mit diesen Überlegungen begonnen und erste Ideen 1901 noch unter dem Titel „Hillelismus“ veröffentlicht. Damal ging es mir in erster Linie um ein jüdisches Problem.

Im Punkt 4 bin ich auch auf die Frage eingegangen, wie ein Territorium benannt werden sollte, das von mehreren Volksgruppen mit verschiedener Sprache beansprucht wird und infolgedessen unterschiedliche Namen hat. So wie ich manche Esperanto-Freunde einschätze, wird dieser Aspekt der Einzige sein, den sie aus meinem Text herauspicken.

Paris all inclusive

Paris 1914 – All Inclusive

Mein Bruder Felix uns seine Frau Helena wollen sich mit uns in Paris zum 10. Esperanto-Kongress treffen. Der Herr Apotheker hat schon einen Platz im Sonderzug von Ellesiek gebucht, der am 1. August um 11 Uhr früh vom Potsdamer Bahnhof abfahren wird. Zurück soll es planmäßig am 9. August gehen und die Reise wird am 10. August 1914 abends am Potsdamer Bahnhof enden. Zunächst solle es über Halle/Saale., Erfurt, Eisenach, Bebra, Fulda, Mainz und Saarbrücken gehen, wobei unterwegs die Möglichzeit zum Zusteigen bestand. Der letzte Stand ist eine Route über Köln, wo der Zug gegen Abend um 11 Uhr Station machen wird und die Teilnehmer aus Süddeutschland zusteigen werden, die von Mainz mit dem Dampfer gekommen sind..

Diesmal hat sich Ellersiek als Organisator von Esperanto-Gruppenreisen selbst übertroffen. Ich habe ja schon früher über die „karavanoj“ berichtet, die für dem einzelnen Esperantisten die Anreise wesentlich einfacher machen und die auch noch eine Menge Geld sparen. In der Regel gewähren die Eisenbahngesellschaften satte Rabatte für Gruppenreisen und die Esperanto-Freunde mit Ortskenntnis helfen bei der Auswahl eines günstigen Hotels.

Während der Fahrt kann man von Abteil zu Abteil gehen und mit alten Bekannten schwatzen und neue Bekanntschaften schließen. Ich fürchte, wenn das mit diesen Automobilen weiter so um sich greift, dann wird diese kommunikative Form des Reisens irgendwann der Vergangenheit angehören. Schon 1907 beim 3. Kongress in Cambrigde hat uns der gute Cunnigham was Gutes tun wollen und hat uns mit seinem Automobil nach Leitchworth gekarrt, wo uns Ebenezer Howard persönlich seine Gartenstadt zeigen wollte. Hätten wir zusammen mit den anderen den Zug genommen, wären wir auch pünktlich da gewesen.

Die Gruppenreise nach Paris ist ein echtes Schnäppchen. Bei 140 Mark in der III. Klasse ab Berlin kann man nicht meckern. Im Preis sind drei Mahlzeiten pro Tag einschließlich der Getränke und Trinkgelder enthalten. Es gibt Frühstück mit Kaffe, Tee oder Schokoloade und Brot mit Butter, Mittags Suppe, zwei Fleischgänge mit Gemüse und Nachtisch, Abends zwei warme Gänge mit Nachtische. Bei den Getränken gibt es wahlweise Bier, Wein oder Mineralwasser.

Auch der Ausflug nach Versailles gehört zum Paket. Was man sonst noch unbedingt über Paris wissen muß hat der Architekt und Schriftsteller Marcel Genermont von der Vereinigung „Amikaro de Paris“ speziell für den „Germana Esperantisto“ zusammengestellt. Bestimmt nur eine müde Notlösung, für diejenigen die es nicht selbst in die französische Hauptstadt schaffen, sind die stereografischen Fotos, die Charles Verax ausgesucht hat. Ein echter Profi, denn er ist nicht nur Redakteur der „Scienca Gazeto“, sondern hat auch an einer Zeitschrift speziell für die Fotographie (Foto-Revuo) herausgegeben. Danach hat er sich mehr auf die Wörterbücher verlegt. Davor habe ich eine Menge über die Kunst der Fotografie aus seinen verschiedenen Schriften gelernt.

Seit Monaten trommelt Ellersiek auf allen Kanälen für diese Veranstaltung. Da Paris für viele Deutsche ein faszinierendes Reiseziel ist, können auch Nicht-Esperantisten mitfahren. Sie müssen ja nicht am 10. Kongress teilnehmen, für den von den Veranstaltern der Gaumont-Palace gebucht wurde, sondern bekommen ein touristisches Progamm geboten.

Der größte Saal der Gaumont-Palace, der auch als Kino benutzt werden kann, hat 3.400 Plätze und verspricht voll zu werden. Ende Juni laben bereits 3.248 Anmeldungen vor.

Der Gaumont-Palace liegt ausgesprochen zental am Fuß des Montmatre, knapp zwei Kilometer westlich der beiden großen Bahnhöfe Gare du Nord und Gare de l’Est, wo die Teilnehmer aus Deutschland ankommen werden. Südlich davon liegt de Gare St.Lazare in ein Kilometer Entfernung. Die Namen der Hotels, in denen die Teilnehmer untergracht werden, sind noch bekannt gegeben worden. Sie sollen aber in der Umgebung des Place Clichy liegen.

Dandin Ader&Borel 1914Andere Veranstaltungen müssen getrennt gebucht und bezahlt werden. So wird es eine Aufführung der von mir 1908 übesetzten Komödie „Georges Dandin“ von Moliére geben. Ellersiek, das alte Schlitzohr rät,sich vorher den Text auf Esperanto anzusehen, den man natürlich bei einem engen Geschäftspartner, dem Verlag Ader & Borel in Dresden, bekommen kann. Ich denke nicht, daß er wie es andere Produzenten von leichter Reiselektüre schon begonnen haben, mit einem Bauchladen durch den Zug laufen wird.

Auch der Kongress der Pazifisten unter der Schirmherrschaft des Nobelpreistägers Charles Richet, muß extra gebucht werden. Die Forderungen nach einem Ende des Wettrüstens, einseitiger oder umfassender Abrüstung und einem Europäsichen Staatenbund nach dem Vorbild der USA stehen zwar schon länger auf der Agenda, aber vielleicht kommt jetzt Bewegung in die Geschichte.

Wir werden sehen.

Franzensbad

Leute, ich schwöre es Euch! Ich habe es nicht gewollt!

franzensbad 1914

Das Denkmal bei seiner Einweihung

Aber der Hechtl in Franzensbad hat einfach nicht locker gelassen. Nun steht das Trumm also in Franzensbad im Kurpark. Der Hechtl ist ein richtiger Nervtyp. Er hat alles von langer Hand eingefädelt. Schon letztes Jahr hat er sich in Graz damit durchgesetzt, daß 1914 der österreichische Esperanto-Kongress bei ihm in Franzensbad stattfindet.

Er hat den Stadtrat dazu gebracht 4.000 Kronen dafür locker zu machen. Das war die Hälfte der Baukosten. Und die Stadt stellte kostenlos den Grund zur Verfügung und wollte sich aus künftig um das Denkmal kümmern Ich sage jetzt nicht wer dazu gemeint, daß man mit der Knete lieber mir eine schöne Kur in Franzensbad hätte finanzieren können. Mein Arzt hat gemeint, wenn ich weiter so paffe, gibt er mir allenfalls noch drei Jahre.

Es hat schon etwas phallisches an sich, das Denkmal und ist vollgepackt mit Allegorien. Der Germana Esperantisto erläutert, daß sich auf einem fünfeckigen Sockel aus bayerischen Muschelkalk fünf Frauenfiguren erheben, die die fünf Kontinente symbolisieren sollen. Sie halten Blumenranken als Symbol des Esperanto in den Händen. Über allem thront eine Erdkugel aus patinierter Bronze, die dadurch grün gefärbt ist. An den Seiten sind Bronzetafeln angebracht. Auf einer steht »Per Esperanto al Paco, Harmonio, Laboro kaj Dio!«» auf einer anderen ist mein edles Antlitz mit der Erklärung »Dro Zamenhof, aŭtoro de Esperanto« zu sehen, was ja nicht direkt falsch ist. Schließlich sind auch die Namen aller angebracht, die durch eine finanzielle Zuwendung zur Realisierung beigetragen haben. Hechtl hat dazu »Bausteine« verkauft und jetzt vertreibt er Postkarten, zwei von dem Dankmal und eine von sich selbst, der Hund.

Die Gestaltung war dem Bildhauer Karl Wilfert jun. aus Eger übertragen worden, der als neuer Star gilt. Er hat in Franzenbad schon einige hübsche Objekte gestaltet. Etwa den Brunnen zu Ehren von Johann-Wolfgang von Goethe, der im Gegensatz zu mir schon in Franzensbad weilte, und ein Denkmal für die Kaiserin Elisabeth. Aber das ist 10 Jahre her.

Jetzt hat er einen Kitsch und Pomp abgeliefert, der wohl nur Esperantisten entzückt. Ebenso pompös war die Enthüllung des Werks an Pfingsten, das 1914 auf letzte Maiwoche fiel. Nachdem der Jakob Hechtl eine flammende Rede gehalten hatte, fiel das Tuch und die Kurkapelle intonierte die Esperanto-Hymne. Dann ergriff der Bürgermeister das Wort und versprach das Denkmal in die Obhut der Stadt zu übernehmen. Schließlich gab es einen festliche Hymne vom »Liederkranz« und das »Falkensteiner Quartett« sang Esperanto-Lieder.

Dann ging es zum Feiern ins Kurhaus und abends wurde der Park samt Denkmal festlich illuminiert.

Das beste, was man über dieses Event sagen kann, ist vermutlich daß sich nach Meinung von Prof. August Pittel aus Prag in Franzensbad Deutsche und Tschechen gut vertragen hätten. Das ist ja auch unter Esperantisten alles andere als selbstverständlich. Obwohl sie im gleichen Land leben, haben Deutsche und Tschechen jeweils ihren eigenen Verband und ihre eigene Zeitschrift. Und die Ungarn machen auch einen auf Eigenständigkeit und haben an Pfingsten ihrer eigenen Esperanto-Kongress in Szeged abgehalten.

Diese nationalistische Eigenbrötlerei wird uns noch in die Katastrophe treiben. Es stimmt mich auch nicht gerade optimistisch, daß Hechtl, wie die revuo »Esperanto« in ihrer Nummer 11 auf Seite 171 berichtet, ausdrücklich eine Delegation des Kriegsministeriums begrüßt hat, darunter Oberst Engl, Oberst Röhr und weitere Offiziere. In diesem Bericht ist zwar von 350 Teilnehmern die Rede, davon allein 200 beim Bankett, aber kein Hinweis auf Tschechen. 1915 soll der österreichische Esperanto-Kongress in Preßburg stattfinden, wenn alles gut geht.

  • Das Dankmal wurde 1938 bei der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Wehrmacht zerstört. Die letzte Spur sind knapp 20 kg Bronze, die 1939 von der Stadt als Rüstungsreserve abgeliefert wurden. 1991 wurde eine wesentlich bescheidenere Gedenktafel von der Esperanto-Gruppe in Pardubice angebracht.

Deka UK

Reisepläne 1914

Nur noch wenige Wochen trennen uns vom X. Esperanto-Weltkongress. Wer hätte das 1905 gedacht, als sich zu ersten Mal eine Handvoll Esperanto-Sprecher aus verschiedenen Ländern in Boulogne-sur-Mer zu einer Versammlung eingefunden hatte, die wir heute als den „Ersten Esperanto-Weltkongress betrachten.

Heute im Jahr 1914 wird alles größer, schöner, besser. In Paris war der „Gaumont-Palace“ angemietet worden, der den tausenden Esperanto-Freunden, die aus aller Welt anreisen, optimale Bedingungen bietet.

Ein Motiv, das von dem bekannten Grafiker Agache entworffen wurde, kann in Form von 5.000 Plakten, 50.000 Postkarten oder 100.000 Klebemarken für die Werbung eingesetzt werden, wie die Organsatioren in der „Kongreß-Zeitung“ mitgeteilt haben.

Schon seit Monaten schwärmt das Organisationskomitee von den fabelhaft Ausstattung des „kongresejo“ und den Reizen der Weltstadt Paris. Meine Freunde aus dem 17. Arrondissement, die treu zum „Fundamento“ stehen, haben schon in der Januarausgabe 1914 ihre Freunde eingeladen und berichten in jeder Ausgabe über den Fortschritt bei den Vorbereitungen.

Klara und ich waren ja schon in Paris. Zuletzt 1911 nach dem Kongress in Antwerpen, wo wir Gast von Bastien Sebert waren. Diesmal wollen auch mein Bruder Felix mit Familie kommen. Sie werden sich am 1. August in Berlin der „karavano“ anschließen, die der rührige Ellersiek organisiert hat. Es geht mit einem Sonderzug morgens vom Postdamer Bahnhof über Magdeburg nach Köln. Dort können Teilnehmer aus Süddeutschland dazustoßen, die vorher noch das romatischen Rheintal ab Mainz von Bord eines Dampschschiffs genießen können. Auch Mitreisende aus Nordddeutschland und Skandinavien werden erwartet.

Seit Monaten wird einem der Mund wässrig gemacht, welche touristischen und kulturellen Höhepunkte man in Paris aus keinen Fall versäumen darf. Dazu gibt es neben dem offizellen Kongressprogramm eine stattliche Zahl von Fachkonferenzen und Versammlungen von Interessengruppen.

Es ist mir zum Glück in den letzten Jahren gelungen, daß ich mich als angehimmelte, geradezu angebetete Kultfigur zurücknehmen konnte. Die Titulierung als „Majstro“ lassen sich manche „samideanoj“ einfach nicht ausreden. Jedenfalls wird von mir keine große wegweisende Festrede erwartet. Der Laden läuft jetzt auch ohne mich und tüchtige Männer, aber auch schon ein paar Frauen, haben die Organisation übernommen.

So komme ich vielleicht dazu, die weltberühmten Wsserspiele in Versailles zu erleben, die am Donnerstag ausnahmsweise für den Esperanto-Kongress in Betrieb genommen werden. Natürlich hoffen wir, daß wir als russische Staatbürger nicht mit der Polizei in Konflikt geraten, die ein wachsames Auge auf alle Ausländer hat und schon seit Monaten Esperanto paukt.

Der Pariser Polizeipräsident hatte sich in einem Anflug von Wahn zu dem Versprechen hinreißen lassen, daß 300 Polizisten bis zum Kongress Esperanto lernen würden. Wie der Germana Esperantisto im Mai mitgeteilt hat, sind auch der Bürgermeister Guerineau vom XIII. Arrondissement mit seiner Gattin schon fleißig am Esperanto lernen. Die Gruppen erhielten nicht nur die Genehmigung für Kurse in den Räumen von Schulen sondern auch eine finanzielle Zuwendung.

Der Germana Esperantisto hat auch berichtet:

Nach einer im „Matin“ veröffentlichten Mitteilung finden jetzt Montags und Dienstags im Pariser Hauptpostamt Esperantokurse für Postbeamte statt. Diese Kurse haben den Zweck, eine genügende Anzahl von esperantistischen Postbeamten für den Kongreß heranzubilden. Die nach Beendigung der Kurse prämiierten Beamten werden während der Dauer von esperantistischen Veranstaltungen und Festen dem esperantistischen Publikum zur Verfügung- gestellt, und als Erkennungszeichen werden sie den grünen Stern tragen. In solchen Fällen wird die Postverwaltung den betreffenden Beamten besondere Vorteile gewähren. Den einleitenden Vortrag für die Kurse hat Herr Michelis di Rienzi, Revisor in der Postdirektion des Seine-Distrikts, gehalten.

Klara, die ganze Famile und ich natürlich auch, freuen sich riesig auf diesen Kongress in einer Weltstadt, in dem man meine Sprache offensichtlich mit offenen Armen empfängt.

Kur in Bad Kissingen

Postkarte

Postkarte aus Bad Kissingen

Diese schöne Postkarte haben Klara und ich an unseren Freund Hyppolite Sebert in Paris geschickt.

Eigentlich wollte ich noch vor dem Esperanto Welt-Kongress in Antwerpen in London sein, wo der sogenannte „Rassenkongress stattfindet. Ich hatte meinen Beitrag mit dem Titel „Gentoj kaj Lingvo Internacia“ schon vorher an verschiedene Esperanto-Zeitschriften geschickt. Darin habe ich mich mit der Frage beschäftigt, warum es Zweitracht zwischen Rassen und Völkern gibt. Ich werdet ahnen, was mir als Lösung vorschwebt.

Allerdings hat mir mein Arzt dringend geraten, etwas kürzer zu treten und so haben wir 1911 vom 12. Juli bis 7. August ein Zimmer im »Gästehaus Franconia« an der Ecke Schönbornstraße und Bismarckstraße gebucht. „Eines Tages werden sie diese reizende Kreuzung zum Esperanto-Platz erklären, den dann kein Stadtplan ausweist“ frozzelt Klara.

Ich habe mich sogar dazu durchgerungen, das Rauchen aufzugeben.

Es wäre vermessen zu glauben, daß wir hier in einer ländlicher Idylle untergekommen sind. Bad Kissingen hat den Ruf eines „Diplomatenbads“ in dem sich die große Welt trifft.

Wir sind hier mitten im Weltgeschehen. Am 18. Juli wurde der neue Golfplatz eingeweiht. Mit dabei war Louis Botha der  Premierminister der Südafrikanischen Union. Er war schon öfter in Bad Kissingen zur Kur gewesen und hatte selbst den Bau des Golfplatzes angeregt, der nun idyllisch am Rand der Fränkischen Saale liegt.

Obwohl durch die  Zweite Marokkokrise ein Krieg geradezu in der Luft liegt, ist der deutscher Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg auf Kur und trotzdem im Dienst. Gemeinsam mit dem Leiter des Auswärtigen Amtes, Alfred von Kiderlen-Waechter empfing er den französischen Botschafter Pierre Paul Cambon zum politischen Gespräch.

Die Liste prominenter und adliger Kurgäste ist lang und wer weiß, vielleicht wird mein Name auch einmal genannt.

Theodor Fontane war 1889 auf Kur und hat geschrieben

„Im Sommer, wenn unter den Linden kein Lüftchen sich bewegt,
Da ist des Kaiserreichs Schwerpunkt nach Kissingen verlegt.
Denn Bismarck ist auch im Bade ein Recke mit wuchtigem Schritt,
Und schreibt er nur eine Depesche, dann zittert das Nachbarland mit.
Nun soll er dienstlich pausieren, wie’s in Schwenningers Bulletin heißt,
Doch kommen die Diplomaten von überall angereist.
Viel schöne Damenherzen erobert der Fürst im Sturm.
Die Kurstadt ist ihm dankbar und baut ihm gewiß einen Turm.“

Jetzt wird eben auch die Esperanto-Welt von Bad Kissingen aus regiert.

Das „Frankfurter Israelitische Familienblatt“ hatte schon am 31. August 1906 überaus wohlwollend über den Ort berichtet. Schon um 1/2 Sieben am Morgen hieß es da, solle das Leben im Kurpark beginnen, wo man salzhaltiges Wasser gereicht bekomme, das sich bei Krankheiten von Magen, Darm und Leber bewährt habe. Man schlürfe seinen Becher bei guter Kurmusik. Es gäbe ein prächtiges Theater, in dem Lustspiele und Operetten gespielt würden.

Delikatessen und Kolonialwaren bietet Herr Seeligmann, für Weine und Spirituosen empfiehlt sich die streng-religiöse Weinhandlung Wittekind am Kurgarten, welche Original-Weine von Bondi-Mainz und noch Original-Weine der Palästina-Gesellschaft in Berlin führt. Während der hohen Feiertage findet in der Neuen Synagoge nach altem Ritus Festgottesdienst statt, an Herren- und Damenplätzen ist kein Mangel, sodass man ruhig die Kur fortsetzen kann.

Aber nicht einmal hier sind wir vor den geliebten „Samideanoj“ sicher. Eine Gruppe aus Bamberg hat uns aufgespürt und sich mit ihrem „Majstro“ und seiner Freu zu einem Erinnerungsfoto drapiert.

Ludoviko kaj Klara Zamenhof en Bad Kissingen

Aufschlußreiche Angaben zum jüdischen Leben im Kurort Bad Kissingen finden sich in der Website alemannia-judaica aus einige Details zum Jahr 1911 entnommen wurden. Vor Verdikt der Kurverwaltung gegen osteuropäische „Kaftanjuden“ im September 1911 war Zamenhof nicht betroffen.

Einige Hinweise gibt es auch in dem Werk von Andreas Künzli, das öfters als Informationsquelle herangezogen wird.

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